Der Mann sitzt im Cafe. Die Plätze um ihn herum sind belegt. Unten auf dem Weserradweg ist richtig viel los. Menschen stehen fröhlich zusammen und unterhalten sich. Er bestellt sich einen Milchkaffee und ein Stück Kuchen. Während er auf seinen Kaffee wartet, denkt er über das Jahr nach. Es ist Herbst 2020. In diesem Jahr ist viel passiert. Im März breitete sich der Coronavirus in der Welt aus. Zuerst in China, dann in Italien, Deutschland, Spanien, Amerika, ja in der ganzen Welt. Alle hatten große Angst. Viele Geschäfte wurden geschlossen. Es war eine doppelte Angst, einmal vor der Krankheit, aber auch vor den wirtschaftlichen Folgen. Wie soll es nur weiter gehen?
Jetzt sitzt er im Cafe. Die meisten Geschäfte haben wieder geöffnet. Einige haben es nicht geschafft. Doch viele konnten aber doch durch den Rettungsschirm des Staates überleben. Es gibt wieder mehr Arbeitslose und die Steuern werden auch erhöht. Es gab auch viele Tote, aber die Menschheit als Ganzes hat überlebt. Diese Krise hat ein Umdenken bei den Menschen gebracht. Man fliegt nicht mehr von Hamburg nach München, nur um mal eben an einer stündlichen Konferenz teilzunehmen. Das geht jetzt über das Internet. Spart viel Zeit, Geld und schont die Umwelt. Irgendwie gehen die Menschen auch anders miteinander um. Manche Freundschaften sind kaputt gegangen, andere wurden in der Krise wieder entdeckt. Und man hat einen neuen Blick auf die Berufe bekommen, die vorher stiefmütterlich behandelt wurden. Die Pflegerinnen und Pfleger in Krankenhäusern und Heimen haben im Sommer eine satte Gehaltserhöhung bekommen. Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten bekommen jetzt wesentlich mehr Geld. Viele Menschen haben erkannt, dass „Geiz ist geil“ nicht wirklich geil ist. Für mich als Verbraucher macht es nicht viel aus, ob der Liter Milch 54 oder 72 Cent kostet. Und das Kilo Fleisch für 8 Euro können sich die meisten auch noch leisten. Aber jetzt können heimische Landwirte wieder davon leben.
Jetzt wird er nachdenklich: Welche Rolle hat Gott eigentlich in der Krise gespielt? Er selbst war damals der typische U-Boot-Christ. An Weihnachten und zur Konfirmation ist er mit zur Kirche gegangen. Aber sonst spielte Gott in seinem Leben kaum eine Rolle. Nach zwei Wochen Krise bekam auch er es mit der Angst zu tun. Der Ortspastor schickte jede Woche eine Andacht per WhatsApp herum. Und die Glocken läuteten um 18:00 Uhr. Am Anfang hat er sich darüber lustig gemacht. An einem Abend hat er die Andacht dann doch zu den läutenden Glocken gehört. In diesem Moment hatte er das Gefühl, dass er nicht allein ist. Da war jemand, der ihn aufgefangen hat. Jemand, der ihn trotz Kontaktverbot in den Arm genommen hat. Das hat ihm enorm viel Kraft gegeben. Gott hat ihn durch die Krise hindurch getragen. Deshalb hat er für sich beschlossen, dieses Verhältnis zu Gott zu pflegen. Er betet jetzt regelmäßig. Und ab und zu geht er jetzt auch in den Gottesdienst. Nicht für die Leute, sondern um für sich selbst aufzutanken. Ihm geht es mit dieser neuen Einstellung viel besser.
Gleich werden sein Milchkaffee und der Kuchen kommen. Corona war für ihn wie ein Reset, alles wurde zurück gesetzt. Keine Ahnung, wer den Knopf gedrückt hat. Aber die Welt stand für einen Moment still. Fast alle Menschen waren plötzlich in ihrer Heimat. Die meisten haben über das Leben nachgedacht. Viele haben es auch verloren. Das ist die größte Tragik an der Sache. Trotzdem wurden die Karten neu gemischt. Das Leben ist jetzt anders. Viel intensiver und menschlicher. Für ihn ist es ein Leben mit Gott geworden.
Ob die Welt so aussehen wird? Ich weiß es nicht, ich habe auch keine Kugel, mit der ich in die Zukunft schauen kann. Aber ich wünsche mir, dass die Karten gut neu gemischt werden. Ich wünsche mir, dass die Menschen gut durch die Krise hindurch kommen. Ich wünsche mir, dass sie alle Gottes Kraft und seinen Trost jetzt besonders spüren. Und ich wünsche mir, dass die Welt nach Corona eine bessere wird. Hoffentlich nehmen wir Gott wieder in der Mitte unserer Gesellschaft auf. Betet, bleibt behütet und gesund. Amen